Fehlende Lehrer – Kürzungen bei Klassenfahrten

Abwahl der 2. Fremdsprache – Hinhaltetaktik bei Schulsozialarbeit

Elternumfrage zeigt: Versäumnisse des Landes führen zu einer bildungspolitischen Talfahrt der Gymnasien

Dauerthema: Unterrichtsversorgung an den Gymnasien erneut auf historischem Tiefstand

Dass sich die Gymnasien Niedersachsens aus Sicht der Eltern in einer bildungspolitischen Talfahrt befinden, offenbart in erschreckender Weise die aktuelle Umfrage des Verbandes der Elternräte der Gymnasien Niedersachsens. Danach bleibt es an den Gymnasien mit 97,12% bei einer Unterrichtsversorgung, die sich erneut auf einem historischen Tiefstand befindet
(Verhältnis aus erteilten Unterrichtsstunden zu den Sollstunden).

„Die Maßnahmen des Landes zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung (17-Punkte-Plan) greifen an den Gymnasien ins Leere.“, kritisiert der Vorsitzende, Dr. Hartwig Jeschke. Man merke zwar, dass sogenannte Quereinsteiger aus anderen Berufen in den Schulen ankommen, deren Qualifizierung mit voll ausgebildeten Pädagogen gleichzusetzen aber oftmals ein Trugschluss sei. Nach der Verbandsumfrage findet an 34,6 % der Gymnasien sogar ein aktueller Stellenabbau durch Pensionierungen statt, da diese nicht vollständig durch Neueinstellungen ausgeglichen werden können.

Eltern fordern ein neues und modernes Verfahren zur Erfassung der Unterrichtsversorgung

Über 76% der Gymnasien kritisieren in der Online-Befragung, dass die Zahlen zur aktuellen Unterrichtsversorgung aus August 2016 erst Ende Februar 2017 bekanntgegeben wurden. Diese Zahlen waren dadurch zum Veröffentlichungszeitpunkt vielfach falsch, da sie veraltet waren. Ohnehin berücksichtigen die Zahlen des Landes nicht die tatsächlichen Unterrichtsausfälle an den Schulen. „Im Zeitalter der digitalen Online-Datenverarbeitung wäre über alle Schulen eine monatliche Erfassung der realen Unterrichtsversorgung technisch überhaupt kein Problem und sehr einfach realisierbar. Die Schulen kennen diese Zahlen ohnehin“, kritisiert Dr. Jeschke.

„Die Unterrichtserteilung ist jedoch die wichtigste Voraussetzung für eine leistungsfähige Schule“, unterstreicht der Vorsitzende. Landesweit hätten die Eltern daher mit Fassungslosigkeit und Empörung reagiert, nachdem das Ministerium kleinlaut zugeben musste, trotz dieser angespannten Situation ca. 340 Referendare nicht einzustellen. Dieses Vorgehen sei angesichts der angespannten Situation skandalös und verantwortungslos.

Fehlendes Schulbudget für Klassenfahrten und zu wenig Schulsozialarbeiter an Gymnasien
84,6 % der Gymnasien sehen große Probleme bei der Durchführung von Klassenfahrten, da die Schulbudgets nicht mehr ausreichen. „Dieses Umfrageergebnis bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen“, erklärt Dr. Jeschke. Den Gymnasien sei es oftmals nur durch das tägliche Jonglieren mit dem viel zu knappen Schulbudget möglich, überhaupt noch Klassenfahrten durchzuführen. Hier zeichne sich ein weiterer, folgenschwerer Schlag auf die Gymnasien ab. Bereits jetzt sieht sich fast ein Drittel der Gymnasien mangels zu knapper Schulbudgets gezwungen beim Fahrtenkonzept zu kürzen. Ein weiteres Drittel der Gymnasien behelfen sich noch mit Restmitteln aus den Vorjahren und werden zukünftig Alternativen suchen müssen. 15% der Gymnasien wandeln Mittel aus dem Ganztagsbetrieb für Schulfahrten um. Konkret heißt das: Bereits im nächsten Schuljahr werden viele Gymnasien ihr Fahrtenprogramm dramatisch zusammenstreichen müssen! Durch die nicht zu akzeptierenden Regelungen im gültigen Fahrtenerlass bleiben Klassenfahrten zudem ein kostenintensives Reisen, das unsere Lehrkräfte weitestgehend mit ihren privaten Mitteln bezahlen müssen. Nicht nachzuvollziehen sei zudem, dass den Schulen für die Durchführung von Fahrten keine Zusatzstunden zugewiesen werden, so dass jedes Gymnasium gezwungen sei, diese aus dem eigenen System zu erwirtschaften. Angesichts der angespannten Unterrichtsversorgung stünden die Gymnasien jetzt förmlich mit dem Rücken an der Wand.

Die Umfrage zeigt auch: Das Land stiehlt sich aus der Verantwortung mehr Schulsozialarbeiter einzustellen. Bereits jetzt berichten 54% der Gymnasien, dass der Bedarf an Schulsozialarbeitern nicht gedeckt ist. Umso unverständlicher ist daher der unzureichende und von der Landesregierung auf 2019 verschobene Aufbau der Schulsozialarbeit an den Gymnasien.

Zweite Fremdsprache: Innere Aushöhlung der Gymnasien durch  Verflachung des Leistungsniveaus

Nach der neuen Oberstufenverordnung können Gymnasien auf die verpflichtende zweite Fremdsprache in der 11. Klasse (EP, G9) mit einem Beschluss des Schulvorstands verzichten. Erschreckend ist, dass 57,6 % der Gymnasien nach der neuen Oberstufenverordnung des Landes den möglichen Verzicht der zweiten Fremdsprache in der 11. Klasse ernsthaft diskutieren. Laut der Umfrage planen bereits 3,8% der Mitgliedsgymnasien eine Abwahl der 2. Fremdsprache konkret. Hier zeichne sich ein weiterer Schritt zur inneren Aushöhlung und Schwächung der Gymnasien ab, der zu einer weiteren Leistungsverflachung führe, so die Kritik des Verbandes, der diese Entwicklung entschieden ablehnt. Bei wachsenden globalen und internationalen Anforderungen an unsere Gesellschaft sind fundierte Fremdsprachenkenntnisse absolut unverzichtbar. Jetzt die 2. Fremdsprache aufgrund mangelnder Lehrerversorgung quasi durch die Hintertür über die Schulvorstandsbeschlüsse abzuschaffen, sei ein falscher Weg und ein fatales Signal.

Die Landesregierung muss jetzt handeln und die bestehenden Brennpunkte beseitigen

Da das Ministerium in der Vergangenheit der Öffentlichkeit aktuelle Zahlen vorenthalten hat, sieht sich der Verband der Elternräte in der Verantwortung, erneut belastbare Zahlen zur Situation an den Gymnasien vorzuweisen. Aufgabe des Ministeriums sei es jetzt, umgehend die genannten Brennpunktthemen zu beseitigen und den Eltern aufzuzeigen, dass man deren Sorgen ernst nimmt, so der Appell des Verbandes. „Wir hoffen, dass die Ministerin diese Misere nach Veröffentlichung unserer Zahlen nicht weiter schönredet, sonst befürchte ich, dass sich die landesweite Unzufriedenheit der Eltern mit dieser Schulpolitik noch weiter verstärkt. Die tägliche Realität an unseren Gymnasien zeigt uns Eltern: So kann und darf es nicht weitergehen!“, erklärt Dr. Jeschke abschließend.

Dr. Hartwig Jeschke, Vorsitzender

Petra Wiedenroth, Geschäftsführerin